News: Wiener Linien
„Die Wiener Linien sind ein Dienstleistungsunternehmen und kein Unternehmen, das gesellschaftliche Normen diktiert oder bestimmtes Sozialverhalten ‚verbietet’. Solange sich nicht eine signifikante Mehrheit der Fahrgäste von mehr als 80 Prozent auch dement¬sprechend deutlich gegen Essen und Trinken in den Garnituren und Stationen der Wiener Linien ausspricht, werden wir dies auch nicht verbieten, sondern versuchen, mit positiven Maßnahmen und Aufklärung einen freiwilligen Verzicht und mehr Rücksichtnahme auf Mitmenschen, Umgebung und Umwelt zu erreichen. Das gilt nicht nur für Essen und Trinken, sondern auch für andere Schmutz verursachende Verhaltensweisen, Lärmen oder andere störende Aktivitäten“, fasst der Geschäftsführer der Wiener Linien, Dr. Michael Lichtenegger, die Erkenntnisse aus der Fahrgasterhebung, der internen Diskussionen und eines langen Meinungsbildungsprozesses mit dem Fahrgastbeirat zusammen.
Keine deutliche Präferenz für Ess- und Trinkverbot
„Vereinfacht gesagt registriert man aufgrund der Erhebung bei den über 40 jährigen eine Präferenz für ein Ess- und Trinkverbot im Verhältnis von 70:30. Bei den 30 bis 40 jährigen sind es nur mehr 60 Prozent Befürworter, bei den unter 30 jährigen sind es 50 Prozent, bei weiterhin sinkender Tendenz bei Jugendlichen.
Sauberkeit würde erhöht
Fragt man ab, ob ein Essverbot die Sauberkeit in den Wiener Linien wesentlich verbessern wird, so kommt man auf einen Mittelwert von 2,45 auf einer Skala von 1 (trifft sehr zu) bis 6 (trifft gar nicht zu). Dieses Ergebnis zeigt zwar den Wunsch nach mehr Sauberkeit, die auch durch klare Regeln und deren Einhaltung erreicht werden soll, ist aber trotzdem kein deutliches Votum und auch nicht über alle Generationen hinweg gleich ausgeprägt“, so Lichtenegger, der ins Detail geht: „Der Mittelwert ist tendenziell schlechter, wenn man kombiniert nach einem Ess- und Trink¬verbot fragt: 2,62. Er verschlechtert sich zudem auf 2,87, wenn man nach den Auswirkungen eines ausschließlichen Trinkverbotes auf die Sauberkeit fragt.“
Zudem wird Schmutz von den Fahrgästen nicht ausschließlich mit Essen und Trinken assoziiert. Die Hälfte der Befragten nennt – und zwar konstant durch alle Altersgruppen – Papiermüll, Graffiti und Schmierereien als „Schmutzträger“.
Zur Systematik der Fahrgasterhebung
Die Erhebung wurde ausschließlich bei Jahreskartenbesitzern durchgeführt, bei einem Sample von 30.000 Personen, repräsentativ für die mobile Wiener Bevölkerung. „In Wien sind etwa 25 Prozent der Bewohner Jahreskartenbesitzer und etwa 80 Prozent der Vielfahrer Jahres- oder Dauerkartenbesitzer. Sie sind auch das meinungsbildende Segment. Deshalb haben wir gemeinsam mit dem untersuchenden Institut Makam Market Research die Befragung auf die Stammgäste fokussiert“, so Lichtenegger. „Wir haben bewusst eine ‚weichere’ Fragestellung gewählt, um nicht eine emotional dominierte Justament-Position zu erheben, sondern tiefer sitzende Sympathien für die eine oder andere Vorgangsweise zu erfragen“, so Lichtenegger weiter.
Aufklären statt verbieten
„Die Wiener Linien als Unternehmen, das im öffentlichen Raum agiert, achten die Freiheit des Individuums. Wir erwarten aber auch, dass sich der Einzelne an Gesetze und Regeln hält und den jeweils anderen respektiert. Schließlich glauben wir an die Kraft der Aufklärung“, so Lichtenegger, „Essen und Trinken sind Grundbedürfnisse. Ebenso wie das Kommunizieren im öffentlichen Raum.“
„Solange sich nicht eine deutliche Mehrheit – und mit deutlich meinen wir mehr als 80 Prozent – gegen Essen und Trinken ausspricht, werden wir es auch nicht verbieten. Aber wir werden Aufklärungsmaßnahmen setzen und gemeinsam mit der Wirtschaft Alternativen anbieten. Wir vertrauen auf die Vernunft unserer Kunden und darauf, dass die bei weitem überwiegende Mehrheit für ein respektvolles Miteinander und zivilisierten Umgang im Alltag ist“, resümiert Lichtenegger.
Internationale Beispiele belegen: Globale Verbote werden kaum ausgesprochen.
• London: ausschließlich Alkoholverbot.
• Berlin: Ess- und Trinkverbot. In der Praxis herrscht Laissez-faíre. Gestraft wird nicht.
• Zürich: kein Verbot.
• Brüssel: Ess- und Trinkverbot in Fahrzeugen, geregelt durch übergeordnetes belgisches Recht.
• Barcelona: kein Verbot.
• Paris: kein Verbot.
• München: ausschließlich Alkoholverbot nur in Stationen, unterstützt durch eine Bewusstseinsbildungskampagne zum Thema „Rücksichtsvolles Verhalten“.
• Tokyo: kein Verbot (in Japan wird im öffentlichen Bereich ohnehin kaum konsumiert).
• Singapur: Ess- und Trinkverbot
Fazit: Nur eine Minderheit der Städte setzt auf Verbote, vorwiegend auf Alkoholverbot. Die meisten Verkehrsunternehmen appellieren an die Vernunft, gelerntes gutes Benehmen und Rücksichtnahme auf die Mitmenschen.
Positiv und motivierend agieren
Die Wiener Linien starten ab Herbst 2009 mit einer umfassenden Positiv- und Aufklärungskampagne, die nicht nur das Thema Essen und Trinken in den öffentlichen Verkehrsmitteln anspricht, sondern auch für Sauberkeit und rücksichtsvolles Verhalten wirbt.
„Wir rufen – in unterschiedlichen Informations- und Werbemitteln – zum freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken auf. Wir weisen darauf hin, wie wichtig der Faktor Sauberkeit für die Wiener Linien, ihre Fahrgäste und für die Allgemeinheit ist. Aufgabe dieser Kampagne wird es auch sein, den Menschen bewusst zu machen, was die Wiener Linien in Sauberkeit investieren und welcher Aufwand dahintersteckt, um den Fahrgästen Stationen und Fahrzeuge anbieten zu können, in denen sie sich wohl fühlen“, so Lichtenegger.
Gleichzeitig setzen die Wiener Linien weiterhin auf verstärkte Maßnahmen für mehr Sauberkeit in den Stationen und Fahrzeugen. Eine umfassende Sauberkeits-Offensive ab Beginn 2008 hat bereits gute Erfolge gebracht. Das honorieren auch die Fahrgäste in einer aktuellen Befragung durch einen unabhängigen Meinungsforscher (Socialdata). Beim Zufriedenheitsindex „Sauberkeit in den Haltestellen/Stationen“ haben die Wiener Linien innerhalb eines Jahres 10 Prozentpunkte zugelegt. „Wir werden unsere im Jahr 2008 gestartete Sauberkeitsoffensive fortsetzen. Dazu gehören beispielsweise eine schnelle ‚Eingreiftruppe’ für U-Bahn-Stationen, besonderes Augenmerk auf die Fahrzeugreinigung oder eine verstärkte Bodenreinigung in den Fahrzeugen. Vor dem Hintergrund dieser Aktivitäten appellieren wir an unsere Fahrgäste, auf Essen und Trinken zu verzichten und so aktiv dazu beizutragen, dass alle Fahrgäste in den Öffis sich wohl fühlen können“, so Lichtenegger.
Wettbewerbsfähigkeit nicht beeinträchtigen
Lichtenegger verweist zudem auf ökonomische Faktoren: „Tatsache ist, dass die vielen Gastro- und Handelsbetriebe, die sich bewusst in U-Bahn- und Verkehrsknotennähe angesiedelt haben, ein Wirtschaftsfaktor sind und Arbeitsplätze schaffen. Ebenso ist es ein gesellschaftlicher Trend, dass die Menschen ihr Frühstück oder ihre Zwischendurchnahrung „on the road“, also im Vorübergehen, zu sich nehmen. Dieser Trend ist nicht mehr aufzuhalten, hier kann man bestenfalls noch lenkend eingreifen und versuchen ein Bewusstsein für mehr Rücksichtnahme auf andere zu schaffen.
Faktum ist aber auch, dass wir den Öffis durch rigorose und streng sanktionierte Ess- und Trinkverbote keine Wettbewerbsnachteile zur PKW- und Individualmobilität auferlegen wollen. Denn im PKW kontrolliert wirklich niemand.“
„Ich bin sicher“, so Lichtenegger abschließend, „dass die Wienerinnen und Wiener bereit dafür sind - unterstützt durch unsere Appelle und Aufklärungsarbeit - von sich aus den besten Weg zu einem guten Miteinander und zur Rücksichtnahme sowohl auf die mitfahrenden Fahrgäste als auch auf Fahrzeuge und Stationen einzuschlagen.“
Michael Zentner (01) 7909-42201
